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Die Geschichte unserer Gemeinde

Unsere Gemeinde wurde 1817 als Neuer Israelitischer Tempelverein zu Hamburg (hebräisch „Kahal Beit Chaddasch“) auf Initiative von Dr. Eduard Kley gegründet. Ab 1868 trug unsere Gemeinde den offiziellen Namen Israelitischer Tempelverband und war rechtlich dem zweiten traditionellen orthodoxen Israelitischen Synagogenverband (Bornplatzsynagoge) zu Hamburg gleichgestellt. 1938 wurde unserer Gemeinde der Körperschaftsstatus widerrechtlich entzogen und unsere Synagogen geschändet und enteignet.  Viele unserer Mitglieder sind in der Shoah umgekommen oder konnten fliehen.

 

Erst seit 2004 setzt unsere Gemeinde ihre Arbeit fort und engagiert sich insbesondere für den Erhalt des baulichen und kulturellen Erbes unserer Gemeinde und des Reformjudentums in Hamburg.

 

Ein besonderes Ziel ist es, dass Hamburg wieder einen würdevollen liberalen Tempel (Synagoge) erhält. Im Jahr 2021 hat unsere Gemeinde beim Senat der Stadt Hamburg die Bestätigung der bestehenden Körperschaft und die kulturelle, finanzielle und soziale Gleichstellung mit der orthodox geprägten Jüdischen Gemeinde in Hamburg beantragt. Eine Restitution unserer Gemeinde ist bis heute nicht erfolgt, wäre aber nicht nur aus moralischen Gründen wünschenswert.

Pioniere des Reformjudentums

Dr. Kley ist neben Israel Jacobson, Carl Siegfried Günsburg und Leopold Zunz einer der frühen Pioniere des Reformjudentums überhaupt. Er begann als Prediger im privaten Reformtempel von Israel Jacobson (zunächst in Seesen und später in Berlin).

 

Ab 1817 leitete Dr. Kley als Oberlehrer und Schulleiter die neu gegründete Israelitische Freischule am Zeughausmarkt 12 in Hamburg (heute Anna-Siemsen-Schule) und gründete hier 1817 zusammen mit 65 jüdischen Hausvätern eine der ersten und bis heute bestehende jüdischen Reformgemeinden der Welt. 

 

Von Hamburg nach Amerika

Neben dem neuen liturgischen Gebetbuch nach dem „Hamburger Ritus“ führte Dr. Kley Lieder in deutscher Sprache ein. Das neue Gebetbuch des Tempelvereins war die erste umfassende jüdische Reformliturgie. Auf das Ziel des Wiederaufbaues des Jerusalemer Tempels wurde verzichtet und durch Inhalte, wie die Gerechtigkeit für alle Völker ersetzt. Dieser Umstand löste den Hamburger Tempelstreit zwischen dem Liberalen und Orthodoxen Judentum aus.

1818 bezog die Gemeinde den ersten Tempel in der Ersten Brunnenstraße in der Hamburger Neustadt von Meyer Israel Bresselau, Lazarus Gumpel und Ruben Daniel Warburg eingeweiht. Der sogenannte Hamburger Tempel war weltweit die erste Reformsynagoge mit einer Orgel, gemischtem Chorgesang und deutschen Predigten. Die Gemeinde wuchs schnell und man entschloss sich um das Jahr 1840 einen neuen Tempel in der Poolstraße zu bauen. Dieser wurde durch Salomon Heine und Lazarus Gumpel stark gefördert. Der Tempelverein wuchs schnell von 65 (1817) auf knapp 600 (1841)  und bestand zum Teil aus wohlhabenden Mitgliedern des jüdischen Bildungsbürgertums, das sich im Zuge der jüdischen Emanzipation und Gleichstellung in dieser Zeit gebildet hat.

 

Der neue Tempel und die dazugehörigen Wohnhäuser  in der Poolstraße wurden ein paar Tage vor Rosch ha-Schana am 05. September 1844 um 19 Uhr feierlich eingeweiht und befanden sich bis zum Zwangsverkauf unter Wert bis 1937 im Besitz des Israeltischen Tempelverbandes. Der Tempel wurde 1944 durch Bombendetonationen schwer beschädigt und danach vernachlässigt. Das Apsisgebäude war bis Mitte der 1980iger Jahre bewohnt und die Orgelempore wird bis heute als Galerie vermietet.

 

An Chanukka 2020 hat sich die Stadt Hamburg, nach Protesten aus unserer Gemeinde dazu  entschlossen das Gelände zu kaufen und zu entwickeln. Es wäre wünschenswert, wenn die wichtigste Synagoge des liberalen Judentums restauriert und wieder für Jüdinnen und Juden nutzbar wäre.

 

 

 

 

Muttergemeinde des Reformjudentums

Bereits im Jahre 1820 wurden während der Leipziger Messe Gottesdienste im Stil des Hamburger Tempels gehalten und machte die jüdische Reformbewegung im Ausland bekannt. Ab 1842 wurden in den USA die ersten Reformtempel nach dem Hamburger Vorbild gegründet. Zu den ersten Gemeinden, die den Siddur unserer Gemeinde übernommen hatten, gehörten in Baltimore der "Temple Har Sinai" und in New York der "Temple Emanu El". 1918 feierte unsere Gemeinde ihr hundertjähriges Bestehen. Zu diesem Anlass wurde eine Festschrift herausgegeben.

 

Die Reformbewegung der USA, die sich bis heute auf Hamburg beruft, ist heute mit ihren über 2.2 Millionen Mitgliedern die einflussreichste Strömung innerhalb des Judentums. Daher ist der Israelitische Tempelverband und dessen kulturelles Erbe bis heute von enormer Wichtigkeit für das liberale Judentum weltweit.

 

Im Zuge dieser Reformen blühte die synagogale Musik auf und die Kompositionen von Louis Lewandowski, Moritz Henle (Laupheim/Hamburg) oder Leon Kornitzer (Hamburg/Haifa) waren prägend für die musikalische Entwicklung unserer Gemeinde. An diese Tradition wollen wir wieder anknüpfen.

Der Bauhaus Tempel in der Oberstraße

Die Gemeinde veränderte und erneuerte sich durch die Bemühungen durch den Oberrabbiner von Hamburg Dr. Bruno Italiener und den berühmten Kantor und Musiker Leon Kornitzer. Die Gemeinde wuchs weiter und hatte 1935 über 800 Mitglieder*innen. Daher beschloß der Vorstand in Zusammenarbeit mit den Architekten  Felix Ascher und Robert Friedmann einen neuen modernen Tempel in der Oberstraße 120 zu bauen. Das Gebäude wurde 1931 eingeweiht und hatte zwei Synagogen, fasste 1200 Personen und war die  größte liberale Synagoge Norddeutschlands.

1937 feierte unsere Gemeinde ihr 120 jähriges Bestehen. Dieses wurde mit Vorträgen und einem Gemeindefest gefeiert. Der Tempel in der Oberstraße wurde während des Novemberprogromms 1938 geschändet, beschädigt, geschlossen und musste dann an die Stadt Hamburg zwangsverkauft werden. Er überstand den Krieg fast unbeschadet. Nach der Shoah wurden die Liegenschaften durch die Jewish Trust Co. abgewickelt und die Oberstraße wurde an den heutigen NDR verkauft, der das Gebäude bis heute nutzt.

Nach der Schließung der Oberstraße und der Flucht von Oberrabbiner Dr.  Italiener sel. A.  nach Großbritannien, wurden die letzten Gottesdienst unserer Gemeinde vor der Shoah durch Rabbiner Dr. Joseph Norden sel. A.  im ehemaligen Logensaal (heute kleine Kammerspiele) des B'nai Brith Ordens in der Hartungstraße 92 durchgeführt. Rabbiner Norden wurde später zusammen mit Rabbinerin Regina Jonas (die erste Rabbinerin der Welt und zeitweise in Hamburg tätig) nach Theresienstadt deportiert und ist dort umgekommen.

Weiterführung nach 2004

 

Seit 2004 führen wir als  Israelitischer Tempelverband unsere Arbeit fort und wir haben heute wieder über 300 Mitglieder*innen und sind die drittgrößte liberale jüdische Gemeinde innerhalb der Union Progressiver Juden in Deutschland.  Ein Zuhause für Jüdinnen und Juden aus verschiedenen Ländern.

 

Unsere Gemeinde setzt sich im Besonderen für ein buntes, tolerantes, egalitäres und diverses Hamburger Judentum ein. Für die Zukunft möchten wir an die Vergangenheit anknüpfen und Hamburg wieder zu einem internationalen Zentrum für das liberale Judentum machen.

 

Hierzu gehören die Eröffnung eines eigenen Tempels  und Gemeindezentrums in Hamburg und die rechtliche, soziale, finanzielle und kulturelle Gleichstellung unserer Gemeinde als unabhängige Körperschaft.

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