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Drascha zum Schabbat Wajechi, Hamburg, Freitag, 10.01.2025 von Landesrabbinerin Alina Treiger

Wenn wir etwas Positives tun, erwarten wir dann von den anderen, dass sie sich wie wir verhalten, oder sollten wir die Tat, die wir vollbringen auch durch Sprechen verdeutlichen, so dass die, die Dinge geschehen, auch richtig verstanden werden? Wurden ihre Handlungen mal falsch interpretiert oder haben Sie jemanden verurteilt noch bevor sie mit der Person gesprochen haben? So ein Beispiel finden wir in unserem Wochenabschnitt Wa-jechi, am Ende des Buches Bereschit und erleben einen Moment, der tief in die menschliche Psyche eintaucht: Dies ist nicht nur eine Geschichte aus der Vergangenheit, sondern ein Spiegel für unser eigenes tagtägliches Leben. Wie oft missverstehen wir Handlungen anderer oder werden selbst missverstanden? Und wie können wir sicherstellen, dass unser Handeln und unsere Worte zur Harmonie beitragen, statt Misstrauen zu säen? Gen. 50:15 וַיִּרְא֤וּ אֲחֵֽי־יוֹסֵף֙ כִּי־מֵ֣ת אֲבִיהֶ֔ם וַיֹּ֣אמְר֔וּ ל֥וּ יִשְׂטְמֵ֖נוּ יוֹסֵ֑ף וְהָשֵׁ֤ב יָשִׁיב֙ לָ֔נוּ אֵ֚ת כׇּל־הָ֣רָעָ֔ה אֲשֶׁ֥ר גָּמַ֖לְנוּ אֹתֽוֹ׃ Als nun die Brüder Josephs sahen, dass ihr Vater tot war, dachten sie: Wenn uns nun Joseph hassen und uns alles Böse wiedervergelten wird, dass wir ihm angetan haben! וַיְצַוּ֕וּ אֶל־יוֹסֵ֖ף לֵאמֹ֑ר אָבִ֣יךָ צִוָּ֔ה לִפְנֵ֥י מוֹת֖וֹ לֵאמֹֽר׃ Sie gaben daher den Auftrag, Joseph zu sagen: Dein Vater hat vor seinem Tode hinterlassen: כֹּֽה־תֹאמְר֣וּ לְיוֹסֵ֗ף אָ֣נָּ֡א שָׂ֣א נָ֠א פֶּ֣שַׁע אַחֶ֤יךָ וְחַטָּאתָם֙ כִּי־רָעָ֣ה גְמָל֔וּךָ וְעַתָּה֙ שָׂ֣א נָ֔א לְפֶ֥שַׁע עַבְדֵ֖י אֱלֹהֵ֣י אָבִ֑יךָ וַיֵּ֥בְךְּ יוֹסֵ֖ף בְּדַבְּרָ֥ם אֵלָֽיו׃ So sollt ihr zu Joseph sprechen: »O, vergib doch deinen Brüdern ihr Verbrechen und ihre Schuld, dass sie dir Böses angetan haben.« Und nun vergib uns doch das Verbrechen, sind wir doch Diener des Gottes deines Vaters! Joseph aber weinte, als sie so zu ihm sprachen. וַיֵּלְכוּ֙ גַּם־אֶחָ֔יו וַֽיִּפְּל֖וּ לְפָנָ֑יו וַיֹּ֣אמְר֔וּ הִנֶּ֥נּֽוּ לְךָ֖ לַעֲבָדִֽים׃ Da gingen auch seine Brüder hin, fielen vor ihm nieder und sprachen: Wir wollen dir Sklaven sein! וַיֹּ֧אמֶר אֲלֵהֶ֛ם יוֹסֵ֖ף אַל־תִּירָ֑אוּ כִּ֛י הֲתַ֥חַת אֱלֹהִ֖ים אָֽנִי׃ Joseph aber sprach zu ihnen: Seid ohne Furcht! Bin ich denn an Gottes statt? וְאַתֶּ֕ם חֲשַׁבְתֶּ֥ם עָלַ֖י רָעָ֑ה אֱלֹהִים֙ חֲשָׁבָ֣הּ לְטֹבָ֔ה לְמַ֗עַן עֲשֹׂ֛ה כַּיּ֥וֹם הַזֶּ֖ה לְהַחֲיֹ֥ת עַם־רָֽב׃ Wohl habt ihr mir Böses zugedacht, aber Gott hat es zum Guten gewandt, um das auszuführen, was jetzt geschehen ist, um viele Menschen am Leben zu erhalten. Josef und seine Brüder kehren von der Beerdigung Jakobs, ihres Vaters, zurück, und natürlich haben die Brüder aufgrund der Erinnerung an Josefs Verkauf Angst vor der Zukunft. Obwohl Josef sie beruhigt, verdeutlicht der Midrasch die Gründe für ihre Besorgnis: Bereshit Rabbah 100:8 וַיָּשָׁב יוֹסֵף מִצְרַיְמָה וגו' (בראשית נ, יד), רַבִּי לֵוִי וְרַבִּי יִצְחָק, [רבי לוי] אָמַר שֶׁלֹא זִמְנָן לִסְעוּדָה, אָמַר רַבִּי תַּנְחוּמָא הוּא לֹא נִתְכַּוֵּן אֶלָּא לְשֵׁם שָׁמַיִם, אָמַר, לְשֶׁעָבַר אַבָּא מוֹשִׁיב לִי לְמַעְלָה מִיהוּדָה שֶׁהוּא מֶלֶךְ וּלְמַעְלָה מֵרְאוּבֵן שֶׁהוּא בְּכוֹר, וְעַכְשָׁיו אֵינוֹ בְּדִין שֶׁאֵשֵׁב לְמַעְלָה מֵהֶן, וְהֵן לֹא אָמְרוּ כֵן אֶלָּא (בראשית נ, טו): לוּ יִשְׂטְמֵנוּ יוֹסֵף. רַבִּי יִצְחָק אָמַר הָלַךְ וְהֵצִיץ בְּאוֹתוֹ הַבּוֹר. אָמַר רַבִּי תַּנְחוּמָא הוּא לֹא נִתְכַּוֵּן אֶלָּא לְשֵׁם שָׁמַיִם, וְהֵם לֹא אָמְרוּ כֵּן אֶלָּא לוּ יִשְׂטְמֵנוּ יוֹסֵף. (בראשית נ, טז): וַיְצַוּוּ אֶל יוֹסֵף לֵאמֹר אָבִיךָ צִוָּה וגו', תָּנֵי רַבִּי שִׁמְעוֹן בֶּן גַּמְלִיאֵל אוֹמֵר גָּדוֹל הַשָּׁלוֹם שֶׁאַף הַשְּׁבָטִים דִּבְּרוּ דְבָרִים בְּדוּיִם בִּשְׁבִיל לְהַטִּיל שָׁלוֹם בֵּין יוֹסֵף לַשְּׁבָטִים, הֲדָא הוּא דִכְתִיב: וַיְצַוּוּ אֶל יוֹסֵף לֵאמֹר וגו', וְהֵיכָן צִוָּה לֹא מָצִינוּ שֶׁצִּוָּה. (בראשית נ, יז): כֹּה תֹאמְרוּ אֶל יוֹסֵף וגו', אָמַר כָּךְ אַחַי חוֹשְׁדִין אוֹתִי. (בראשית נ, יח): וַיֵּלְכוּ גַּם אֶחָיו, אָמְרוּ לֵיהּ חַד בְּעֵית לָךְ לְעַבְדָא הָא כֻּלָּנָא לָךְ לַעֲבָדִין. Bereshit Rabbah 100:8 „Und Josef kehrte nach Ägypten zurück, er und seine Brüder und alle, die mit ihm hinaufgezogen waren, um seinen Vater zu begraben, nachdem er seinen Vater begraben hatte. Die Brüder Josefs sahen, dass ihr Vater gestorben war, und sie sagten: Vielleicht hasst uns Josef und wird uns all das Böse vergelten, das wir ihm angetan haben“ (Bereschit 50:14-15). „Josef kehrte nach Ägypten zurück …“ Rabbi Levi und Rabbi Yitzchak sagten: Es war, weil er sie nicht zur Mahlzeit einlud. Rabbi Tanchuma sagte: Seine Absicht war nur zum Wohle des Himmels. Er sagte: ‚In der Vergangenheit hat Vater mich über Jehuda gesetzt, der König ist, und über Ruben, der der Erstgeborene ist. Jetzt ist es unangebracht, dass ich über ihnen sitze.‘ Aber die Brüder sagten nicht das, sondern vielmehr: „Vielleicht hasst uns Josef.“ „Und sie ließen Josef sagen: Dein Vater hat angewiesen …“ Es wird gelehrt: Rabbi Shimon ben Gamliel sagt: Groß ist der Frieden, da selbst die Stämme erfundene Dinge sprachen, um Frieden zwischen Josef und den Stämmen zu schaffen. Das ist es, was geschrieben steht: „Und sie ließen Josef sagen …“ Wo hat er angewiesen? Wir finden nicht, dass er angewiesen hat. „So sollt ihr zu Josef sprechen … [Josef weinte, als sie mit ihm sprachen]“ – er sagte: ‚So sehr verdächtigen mich meine Brüder?‘ Laut Rabbi Levy, lädt Josef seine Brüder nicht weiterhin zum Essen ein, weil er besorgt ist, ob er genug Respekt seinen Brüdern in der Sitzordnung erweisen würde und die Brüder interpretieren dies als Absicht, „Rechnungen abzuschließen“. Laut Rabbi Yitzchak kommt Josef auf dem Rückweg aus Kanaan am Verkaufsort („an derselben Grube“) vorbei, um sich für das Wunder zu bedanken, und die Brüder interpretieren dies als eine Wiederaufnahme des Verkaufsvorgangs Josefs, als eine Legitimation, um die Brüder zu verfolgen und Rache an Ihnen zu nehmen. Nach Jakobs Tod fürchten die Brüder, dass Josef sie für ihre vergangenen Taten bestrafen könnte. Diese Angst entspringt ihrer eigenen Schuld und Unsicherheit. Sie projizieren ihre eigenen Gedanken auf Josef, obwohl er keine Anzeichen von Rache gezeigt hat. Dies zeigt uns, wie Schuldgefühle oft unser Urteil trüben und Misstrauen gegenüber anderen erzeugen können, selbst wenn diese anders handeln. Schuld und Angst können uns davon abhalten, aufrichtig zu vertrauen. Es ist wichtig, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen und Vertrauen aufzubauen, statt von negativen Annahmen auszugehen. Josefs Perspektive – Die Herausforderung der Vergebung: Josef, der bereits seinen Brüdern vergeben hatte (Bereschit 45:5), wird durch ihre Verdächtigungen tief getroffen. Seine Tränen offenbaren seine Enttäuschung und vielleicht auch Traurigkeit darüber, dass seine Brüder seine Vergebung nicht vollständig angenommen haben. Die Grube – Die Konfrontation mit der Vergangenheit: Rabbi Yitzchak erwähnt, dass Josef in die Grube blickte, in die ihn seine Brüder einst geworfen hatten. Dies könnte eine symbolische Handlung sein, um sich mit seiner Vergangenheit zu konfrontieren und sie zu bewältigen. Es zeigt, dass Heilung nicht bedeutet, die Vergangenheit zu vergessen, sondern sie bewusst zu betrachten und Frieden mit ihr zu schließen. Um echte Vergebung und Heilung zu erreichen, müssen wir uns unserer Vergangenheit stellen. Dies hilft uns, alte Wunden zu überwinden und ohne Bitterkeit weiterzugehen. Groß ist der Frieden – Die Rolle der Brüder: Der Midrasch betont, dass Frieden eine so hohe Priorität hat, dass sogar die Brüder Josefs eine erfundene Geschichte („dein Vater hat angewiesen“) erzählen, um Frieden zwischen sich und Josef zu sichern. Rabbi Shimon ben Gamliel lobt dies, indem er den Frieden über die absolute Wahrheit stellt. Der Midrasch lehrt uns, dass der Frieden in einer Gemeinschaft so wertvoll ist, dass man sogar kleine Abweichungen von der Wahrheit rechtfertigen kann, um Harmonie zu bewahren. Dies ist eine ethische Lektion darüber, wie wir Wahrheit und Frieden abwägen müssen, wenn Beziehungen auf dem Spiel stehen. Zwei wichtige Grundsätze lernen wir aus dieser Geschichte: Als erstes müssen wir auf die Interpretationsfähigkeit anderer achten und aus diesem Grund unsere Handlungen überdenken oder sie erklären – und zwar sehr detailliert. Der andere Grundsatz, den wir gelernt haben, ist, dass wir bei der Interpretation der Handlungen der anderen Person vorsichtig sein und versuchen müssen, sie sinnvoll zu diskutieren. In der Frage des persönlichen Beispiels und der damit einhergehenden Interpretation haben begleitende Worte als Erklärungen für unser Handeln das Potenzial, ein „persönliches Beispiel“ zu schaffen! Schabbat Schalom! Hier geht es zur russischen Version: .

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